Angesichts des brutalen russischen Angriffs auf die Ukraine schien ein umfassendes Biennale-Projekt in Kyiv lange Zeit höchst ungewiss, wenn nicht gar unmöglich. Doch mit einer Kaskade von Eröffnungen – beginnend in Kyiv und Wien im Oktober 2023, endend in Berlin 2024 – wird die fünfte Kyiver Biennale stattfinden. Diese Biennale ist als europäisches Ereignis konzipiert, mit verstreuten Ausstellungen und öffentlichen Programmen in einer Reihe von ukrainischen und EU-Städten, und wird in Partnerschaft mit führenden europäischen Institutionen im Bereich der zeitgenössischen Kunst realisiert.
Anstatt das Projekt aufzugeben und sich damit der Logik des Krieges zu unterwerfen, die alles Zivile angreift, greift die Biennale 2023 auf ihre Gründungsidee zurück: eine multizentrische Initiative in einer europäischen, vernetzten und solidarischen Form zu sein. Kunstinstitutionen in der Ukraine (in Kyiv, Iwano-Frankiwsk und Uschhorod) organisieren Präsentationen und Veranstaltungen in ihren gefährdeten, aber funktionierenden Infrastrukturen. Trotz des kriegsbedingten späten Planungsbeginns haben Museen und Ausstellungshallen in Wien (dem Hauptausstellungsort), Warschau und Berlin sowie in anderen europäischen Städten ihre Räume und Plattformen für Ausstellungen und Veranstaltungen mit ukrainischen und internationalen Künstler:innen sowie für diskursive, performative und pädagogische Aktivitäten freigemacht. Die Institutionen haben sich zu einem Kurator:innenkonsortium zusammengeschlossen, um gemeinsam einen konzeptionellen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sie ihre jeweiligen Kyiv-Biennale-Programme entwickeln.
Wie kann ein Land im Krieg politische, soziale, kulturelle und gesellschaftliche Fragen angehen? Die Erfahrungen von Künstler:innen und Kulturschaffenden in der Ukraine sind heute zutiefst geprägt von Kriegstraumata, Vertreibung, fehlendem Zugang zu grundlegenden Ressourcen und in vielen Fällen von der direkten Beteiligung am bewaffneten Widerstand oder der Erfahrung des Lebens unter militärischer Besetzung. Dies stellt existenzielle Herausforderungen für die Zukunft der Kunst- und Kulturproduktion in der Ukraine dar. Die bevorstehende Biennale zielt darauf ab, die durch den Krieg geteilte und über ganz Europa verstreute ukrainische Künstler:innengemeinschaft wieder zu integrieren, um ihre Akteur:innen zu befähigen, gemeinsam mit internationalen Kolleg:innen über die kulturellen, sozialen und ökologischen Herausforderungen, denen sich die Ukraine derzeit gegenübersieht, zu arbeiten und zu reflektieren und sich Szenarien für eine emanzipatorische Zukunft in einem globalen Kontext vorzustellen.
Die Strategie der Kyiver Biennale, die im Laufe ihrer vier vorangegangenen Ausgaben entwickelt wurde, verbindet künstlerische Produktion, kritisches Wissen und soziales Engagement in Zeiten der Not, in denen das Kuratieren weit über seine zeitgenössische Bedeutung einer künstlerischen und organisatorischen Praxis hinausgeht und sich auf seine ursprüngliche Bedeutung der Wiederherstellung, Rehabilitation und Erleichterung zurückbesinnt, so dass es sich nicht um eine Biennale, sondern um ein mehrjähriges internationales Projekt handelt, eine „Kyiv Perennial“.
KYIV BIENNALE 2023 in Wien
18 Oct 2023 - 14 Jan 2024
Augarten Contemporary
Scherzergasse 1A, Wien, Österreich