Es gibt eine Menge Negativität oder zumindest passive Aggression in der Tradition des Abstrakten Expressionismus – wie auch schwarzen Humor in Verbindung mit entschiedenem, extremem Verhalten.

Mark Rothkos Seagram-Gemälde sind bekanntermaßen entstanden, damit sich reiche Sammlernnnie unwohl fühlen. Agnes Martin ging aus New York weg, weil das Gebäude, in dem sie lebte, abgerissen werden sollte. Sie pries Rothko, er habe die Null erreicht. Sol LeWitt sei auf Weiß umgestiegen, weil Schwarz zu expressiv war. Martin hatte, wie die Dichterin Laura Riding, eine existenzialistische, radikale Sicht auf das Leben. In den Arbeiten beider nimmt die Nichtproduktion einen hohen Stellenwert ein. Als weibliche Produzentennni, die sich der heuchlerischen Mechanismen, die sie am Kunstmarkt nicht mitspielen ließen, bewusst waren, drohte ihnen nicht, wie Sol LeWitt, übervermarktet zu werden. Das Scheitern ist Frauen und Immigrantennni, deren Verhältnis zum Establishment bis heute nicht etabliert ist, vertraut und begrifflich nahe. Außerdem waren es jüdisch-russische Immigrantennni, die die Avantgardekunst in die Vereinigten Staaten gebracht haben.

Man könnte es so deuten, dass Ovidiu Anton in seinen künstlerischen Arbeiten zum Grenzzaun Mexiko / USA , die sich auf reale und relevante Öffnungen in einer realen, jedoch entbehrlichen Wand konzentrieren, diese Tradition der Abstraktion in ein Negativum des Negativen gezogen hat. Er verwehrt dem Publikum die sinnliche Erfahrung, intensive Farben auf Leinwänden zu betrachten.

Vielmehr bildet Ovidiu Anton in perfekter Tischlerarbeit die Flicken der nächtlich durchlöcherten Wand nach, die täglich durch anonyme, oftmals selbst immigrierte Schweißernnnie gelötet und repariert werden müssen. Dies operiert in gewisser Weise als das Gegenteil einer Collage, dieses Modellieren der wiederholten Ausbesserungen von etwas, das entfernt wurde. Und wenn der eine Teil der anonymen Urhebernnnie ein geordneteres Leben sucht als das, was er zurückgelassen hat, dann hat der andere Teil die Gelegenheit zu stiller Solidarität, indem er schlechte Arbeit leistet. Übrigens sind diese Reparaturstücke mit Kreide gekennzeichnet, wie ein Code, der an datenbasierte Minimal Art oder einfach an die Nummerierung aufeinanderfolgender Druckgrafiken erinnert.

Ovidiu Anton ist nicht dier erste Künstlerni, dier mit seihrner Arbeit und Poetik, die Sphären von Arbeiterni und Kunstheldni überspannt. Man könnte sagen, dass er einen Widerhall dieser ikonischen „amerikanischen“ Situation in die Mitte Europas bringt, während er gleichzeitig die Eleganz der älteren österreichischen Konzeptualistennni und Aktionistennni bis hin zu den jüngeren vereint. Die Schönheit, Schlichtheit und Zugänglichkeit von Antons Aktionen befördert den internationalen Geist von Praktiken heutiger Künstlernnniegenerationen, die mobil und global sind und dem Aktivismus in gesellschaftspolitischen und ökologischen Fragen nahe stehen.

Durch die Materialwahl wirkt Ovidiu Antons Werk verspielt und genau dadurch konzeptioneller, als ein Rekurs aufs Erhabene es zulassen würde. Eine gewöhnliche Holzbearbeitungswerkstatt würde genügen, um seine Arbeiten nachzubauen. Diese trickreiche Arte Povera steht im Gegensatz beispielsweise zur Monumentalität der Eisenplatten Richard Serras. Auch Serra war durch die Arbeit seines Vaters in einer Fabrik mit Schwermetallarbeiten vertraut. Doch die Geste ist eine andere. Antons Stücke sagen nicht: „Bewundere!“. Sie sagen ähnlich wie diese 3D-Puzzles aus Holz: „Nimm es in die Hand und finde die Lösung.“

Unzählige Spirituals haben als geteiltes Liedgut eine Sehnsucht thematisiert, innerhalb der USA „auf die andere Seite“ zu kommen und Grenzflüsse zu überqueren, die vor der Sklaverei schützen. Wahrscheinlich ist eine vage Sehnsucht nach „etwas völlig anderem“ eine Dynamik, die vieles befeuert. Doch zweifellos trifft eine Sehnsucht nach Transzendenz auf seltsame Weise auf das Bild eines Objekts, das einfach nur das sein soll, was es im Hier und Jetzt ist.

(zit. n. Ann Cotten, 2021, polnisches gendering Ann Cotten)

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Christine König Galerie

Christine König Galerie wurde 1989 in Wien gegründet. Die Galerie repräsentiert eine Vielzahl internationaler, etablierter Künstler und arbeitet gleichzeitig mit einer dezidiert jüngeren, aufstrebenden Generation. Das Programm der Galerie und die Auswahl der Künstler orientiert sich stark an Themen, die für Christine König relevant sind: Politik und Aktivismus, Feminismus, Literatur, aber auch postkonzeptuelle Ansätze.

OPEN DAYS / NEW SHOWS: Ovidiu ANTON | Case Study / Border Monument

28 May 2021 - 31 Jul 2021

Ovidiu Anton_Christine König Galerie

OPEN DAYS / NEW SHOWS: Ovidiu ANTON | Case Study / Border Monument

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