Die Ausstellung DOMESTICATED nimmt ihren Ausgangspunkt in der komplexen und sich ständig wandelnden Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Seit Jahrtausenden nimmt das Pferd eine zentrale Rolle in der menschlichen Vorstellungskraft und künstlerischen Ausdrucksweise ein. In der antiken Kunst erscheint es als Begleiter göttlicher Wesen, als Träger von Kriegern und als Verkörperung von Freiheit, Schönheit und Geschwindigkeit.
Das Reiterstandbild verewigt Herrscher, indem es menschliche Autorität mit der natürlichen Kraft des Tieres verbindet. Das Pferd ist dabei nicht nur ein Motiv, sondern ein Medium, durch das Macht, Eroberung und soziale Ordnung sichtbar wird. Ein mythisches Beispiel sind die Amazonen, die legendären Kriegerinnen, die fast immer zu Pferd dargestellt werden. Ihre Beherrschung des Pferdes symbolisierte sowohl ihre Unabhängigkeit als auch ihre Auflehnung gegen patriarchale Normen. Die amazonische Reiterin war zugleich faszinierend und bedrohlich: eine Figur der Freiheit und der Gefahr, Verkörperung einer alternativen sozialen Ordnung, in der Frauen militärische und politische Macht ausübten.
Diese Spannung hallt in der Gegenwartskultur wider, in der das Pferd weiterhin nicht nur für Adel und Schönheit steht, sondern auch für die Möglichkeit von Widerstand und Umbruch. Zugleich ist das Pferd tief in die Politik der Herrschaft verstrickt. Weltweit setzen Polizeikräfte berittene Einheiten ein, um Demonstrationen und öffentliche Versammlungen zu kontrollieren. Die körperliche Höhe und imposante Präsenz des Pferdes verwandeln den Polizisten in eine überragende Figur der Autorität. In solchen Momenten wird das Pferd zu einem unfreiwilligen Instrument der Repression, seine natürliche Kraft in den Dienst staatlicher Macht gestellt. Diese Praxis verdeutlicht die lange menschliche Neigung, die Lebenskraft der Tiere für Zwecke von Hierarchie und Kontrolle zu vereinnahmen.
Diese Darstellungen werfen auch eine tiefere Frage auf: Sehen die Betrachter wirklich, was sie zu sehen glauben? Hinter der vertrauten Ikonografie von Pferd und Reiter verbirgt sich ein Netz aus Machtverhältnissen, Projektionen und Begierden. Was als Schönheit oder Meisterschaft erscheint, kann in Wahrheit Geschichten von Unterwerfung und Domestizierung verschleiern. Was, wenn alles, woran wir glauben, eine Fata Morgana ist – ein Trompe-l’œil, eine Luftspiegelung der Bedeutung, die zugleich enthüllt und täuscht? Die Ausstellung fordert uns auf, noch einmal hinzusehen, zu erkennen, wie leicht selbst der Blick geformt, gezähmt und gelenkt werden kann, ganz wie das Pferd selbst.
Kuratiert von Salvatore Viviano
Künstler:innen: Josefin Arnell, Natalia Del Mar Kašik, Charlotte Gash, Eric Gyamfi, Brilant Milazimi.
Die Ausstellung zeigt aktuelle Artists-in-Residence sowie in Österreich lebende Künstler:innen.
Eröffnung: Sa, 08.11. 2025, 18 Uhr
Ausstellungsdauer: 08.11. – 13.12.2025, Do-Sa 16-19h und auf Anfrage
Kurator:innenführungen: 04.12.2025, 17 Uhr / 13.12.2025, 17 Uhr
PART ist ein Programm des Österreichischen Bundesministeriums für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport.
PART. International Art Residency Austria
PART. International Art Residency Austria wurde 2025 im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport gegründet – als ein neues im Südpavillon inmitten des Wiener Praters angesiedeltes Residenceprogramm für künstlerische Forschung, interdisziplinären Diskurs und transnationale Kooperation. Eingeladen sind Künstler:innen, Kurator:innen und Theoretiker:innen aus aller Welt, die sich mit sozialen, politischen und ökologischen Fragestellungen der Gegenwart auseinandersetzen.
PART beherbergt aktuell sechs Residency-Studios, die multifunktionale Halle The Hall und die Bar des Amateurs – Orte der Produktion, der Präsentation und des Austauschs.
DOMESTICATED
8 Nov 2025 - 13 Dec 2025
Meiereistraße 3-16, 1020 Wien, Österreich
Credit: Josefin Arnell, Beast and Feast, Video 4k, 2023. Video still