Curated by 2025: Fragmentierte Subjektivitäten bei Krinzinger, Kandlhofer und Nächst St. Stephan
Die 16. Ausgabe des Galerien-Festivals zeigte fragmentierte Subjektivität – zwischen Erinnerung, Alltag und Algorithmus. Ein Festival über das zersplitterte Ich. Ein Text von Sabine B. Vogel.

Image of the collective bahraini-danish: Batool Alshaikh, Maitham Almubarak, Christian Vennerstrøm. Photo by Ghada Khunji.
Galt im letzten Jahrhundert noch die Entfremdung als zentrales Problem des Ichs, so attestieren manche Soziolog:innen dem Subjekt im 21. Jahrhundert die Zersplitterung und Widersprüchlichkeit – kurz: die Fragmentierung.
Jetzt steht dieser Befund als zentrales Thema über der 16. Ausgabe des Wiener Galerien-Festivals curated by. Wie aber kann dieser „pathologische Modus der Gegenwart“, wie es Sophia Roxane Rohwetter in ihrem Einleitungsessay nennt, in Kunst übersetzt werden? Die Antwort nach einem Rundgang durch die 24 Galerien ist eindeutig: höchst vielfältig.

So wählt die renommierte Kuratorin Ute Meta Bauer zusammen mit Wejdan Reda für die Galerie Krinzinger Schottenfeld das schöne Bild der Wüste. 12 Künstler:innen aus dem arabischen Raum entfalten ein beeindruckendes Kaleidoskop dieser Landschaft, nicht als Ort der Dürre und Leere, sondern als gelebte und kultivierte Zone, als Ort von Erinnerungen. Bahraini-danish – der Name verweist auf ihre Herkunft – zeigt in einer Vitrine Reste von Töpferwaren, die von Archäolog:innen zurückgelassen wurden. Nach Farbe und Textur sortiert, stellen sie Zeiten und Kulturen überwindende Verbindungen her.
Nasser AlSalem stammt aus einer saudischen Beduinenfamilie und übersetzt die Idee des Reisens in ein eigenwilliges Bild: In seiner Fotografie platziert er eine futuristische Raketenform in die endlose Weite der Wüste. Großartig auch die Ölbilder der 1940 in Jordanien geborenen Hind Nasser, in denen sie ihre Eindrücke der historischen Felsengräber in Petra festhält. Camille Zakharia (Libanon) dokumentiert die einzigartigen Hügelgräber auf Bahrain, die mehr und mehr der urbanen Erweiterung weichen müssen. Und über allem schwebt der Duft nach Sidr und Kampfer, mit dem Sara Abdus (Jemen/Saudi-Arabien) ihre zu einem Halbkreis aufgetürmten Seifenstücke versetzt hat.

On display bei Krinzinger Schottenfeld: The collective: Aseel AlYsqoub, Yousef Awaad Hussein, Saphiya Abu Al-Maati. Photo by Camille Zakharia.
Wie anders als dieses multisensorische, die Zeiten überbrückende, oft poetische Puzzle fragmentierter Narrative entführt uns „Shored Against My Ruins“ in der Galerie Kandlhofer in eine Fragmentierung als Illusion. Manchmal werden die Dinge des täglichen Lebens „zu einem ritualisierten Akt, durch den wir das Sublime wahrnehmen. Das Erkennen dieser winzigen flüchtigen Splitter ist alles, es ist Vollkommenheit“ schreibt Kurator DJ Hellerman zu seiner Schau mit sieben Künstler:innen. Mit der geisterhaften Malerei von Franco Andrés, den spukhaften Fotografien TR Ericssons und zum Fürchten gruseligen Masken von King Cobra zeigt die Galerie vor allem US-amerikanische Künstler:innen, die eine sich im Prozess der Auflösung befindende Welt entwerfen.

Franco Andrés, Doing Away with Lamentation, 2025. Courtesy the artist
Einen technoid orientierten Weg wählt der Kurator Thomas Thiel für die Galerie Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder in der Dependance in der Domgasse: „Seeds“, also Samen lautet der Titel der konzentrierten Schau mit vier Künstler:innen. In der Computersprache werden damit Zahlencodes bezeichnet, die den Zufall einschränken und Ergebnisse reproduzieren.
Subjektivität wird hier über algorithmische Filter und materielle Transformationen thematisiert, wenn Christopher Kulendran Thomas auf seinen miniaturkleinen Glasmalereien die Exilgeschichte seiner tamilischen Familie mit algorithmisch generierten Bildern thematisiert. Seit Jahren ist Simon Denny auf die Hinterfragung digitaler Machtstrukturen spezialisiert. Für „Seeds“ entwickelte er zwei neue Serien, die die zunehmende militärische Ausrichtung der Tech-Industrie widerspiegeln. Seine „Malereien“ wurden von umgerüsteten CNC-Maschinen, umprogrammierten Plottern und industriellen Druckern produziert und zitieren Werbematerialien bis zu futuristischen Werken der Kunstgeschichte. Mitten im Raum platziert Katja Novitskova ihre merkwürdigen, knallblauen Wesen – eine grandiose Kombination von Kuscheltier und gallertartigen, eierausbrütenden Zukunftswesen. Hier wird der Befund der Fragmentierung in das nächste Stadium, in die techno-utopische Subjektivität überführt.

On display bei Galerie nächst St. Stephan: Marianna Simnett, Blue Moon (video still), 2022. Courtesy the artist and Sociéte Berlin.