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WIENER GALERIEN CHECK-IN #1

Teil 1 einer dreiteiligen Blogpost-Serie: Charim Galerie, Gabriele Senn Galerie, Galerie Crone Wien

Galerie Crone Wien, Ausstellungsansicht Ashley Hans Scheirl, Neoliberal Surrealist, 2019. Foto: Matthias Bildstein, Wien. Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien

Wir haben uns auch heuer wieder bei einigen Wiener Galerien umgehört, über aktuelle Entwicklungen in der Wiener Kunstszene, Herausforderungen und Anreize in ihrem daily business gesprochen und – in Hinblick auf das Motto „Challenging Orders“ der heurigen VIENNA ART WEEK – danach gefragt, welche Rolle die Kunst, Künstler:innen und ihre Institutionen dabei spielen, bestehende Normen und Ordnungen zu hinterfragen. Nebenbei haben wir auch einiges über „gute Kunst“ und die Vorliebe so mancher Künstler:innen für die Wiener Küche erfahren.

Charim Galerie, Markus Krottendorfer, Abyss, Ausstellungsansicht, Foto: Markus Krottendorfer.

CHARIM GALERIE

In der Wiener Innenstadt befindet sich seit 1997 in der Dorotheergasse die von Miryam Charim und Hubert Klocker gegründete Charim Galerie. Zu den von der Galerie vertretenen Künstler:innen zählen Dorit Margreiter, Olga Neuwirth, Andreij Monastyrskij, Lisl Ponger, Dorothee Golz und Milica Tomic sowie jüngere Positionen wie Markus Krottendorfer, Robert Muntean, Daniel Pitin, Alfons Pressnitz, Roberta Lima und Tamuna Sirbiladze. Die Galerie zeigt abwechselnd thematische Gruppenausstellungen und Einzelpräsentationen, die beide kunstimmanente oder gesellschaftspolitisch relevante Fragen aufwerfen. „Eine politische Agenda und ein selbstreflexiver Ansatz sind wesentliche Momente unserer Arbeit“, erzählt Kurt Kladler, Direktor der Charim Galerie. Im Vordergrund stehen dabei Themen, mit denen sich die Künstler:innen selbst auseinandersetzen.

 

Wodurch kennzeichnet sich die Wiener Kunstszene und gibt es etwas, was ihr noch besonders fehlt? „Die künstlerischen Produktionen sind vielfältig, die Szenen sind lebendig und kompetitiv, das sind gute Voraussetzungen. Es fehlt aber an weiteren jungen Galerien, größeren privaten Sammlungen und einer marktgetriebenen Dynamik, die mehr Sichtbarkeit und kuratorisches Engagement für Künstler:innen ermöglichen könnten“, so Kladler. Spannend bei den aktuellen Entwicklungen in der Szene findet er Initiativen, die Künstler:innen und Kurator:innen setzen, um eine jüngere Generation von Menschen anzusprechen und diese für Belange der Kunst und das Sammeln zu interessieren.

 

Worin liegen die Anreize, heute in Wien eine Galerie zu betreiben? „Aktive Teilhabe am internationalen kulturellen Leben, um dieses mit Künstler:innen mitgestalten zu können“, so Kladler. Wichtig sei es dabei für Galerien, die Arbeit von Künstler:innen zu unterstützen und für die Durchsetzung der damit konkretisierten Inhalte und ästhetischen Ansprüche zu sorgen. Wo sieht er in der Kunst Potenzial für den Aufbruch herrschender Ordnungsprinzipien? „In den Kunstwelten finden immer Kämpfe um die Definitionsmacht von Geschmackseliten, um Einschluss und Ausschluss, etc. statt, das ist die Grunddynamik. Kunst kann durch den funktionalen Mythos und die Akzeptanz der generellen Ansprüche, kreativ und innovativ zu sein, und zudem gesellschaftlich progressive Inhalte zu verhandeln, gesellschaftlich wirksam werden“, so Kadler. Und was bedeutet für ihn gute Kunst? „‘Gute Kunst‘ ist, was nur wenige Menschen in ihrer Zeit als gute Kunst empfinden.“

Gabriele Senn Galerie, Kathi Hofer, Pictures, Ausstellungsansichten, Wien 2022.

GABRIELE SENN GALERIE

Für Galeristin Gabriele Senn kann „gute Kunst“ historisch und aus der Gegenwart betrachtet nur mit einem tiefen Interesse und Emotionen einhergehen. Ihre Galerie gründete sie im Jahr 2000 in der Schleifmühlgasse im 4. Bezirk „aus der damaligen Situation heraus, wo es in Wien keine Möglichkeiten für junge Künstler:innen gab. Es entstanden damals viele Neugründungen, die nachhaltig bis heute die Galerieszene prägen“, erzählt Gabriele Senn.

 

Ihr umfassendes Angebot an ausgewählter zeitgenössischer Kunst – zu den von der Galerie vertretenen Künstler:innen zählen unter anderen Cecilia Brown, Adrian Buschmann, Richard Hoeck, Kathi Hofer, Oswald Oberhuber, Alexander Ruthner, Elfie Semotan, Stephanie Stern, Marina Sula oder Hans Weigand – ist das Ergebnis einer langjährigen persönlichen Zusammenarbeit mit österreichischen und internationalen Künstler:innen: „Viele künstlerische Positionen ergeben sich aus einem persönlichen Interesse, freundschaftlichen Verbindungen zu Künstler:innen und dem professionellen Leitfaden aus der Betrachtung der Gegenwart“, so die Galeristin. Austausch und Vernetzung im internationalen Kunstkontext sind dabei für sie von besonderer Bedeutung.

 

„Kurator:innen, Ausstellungshäuser und Sammlungen haben den großen Vorteil, durch ihre Wichtigkeit und Kontextualisierung Themen von ihren Sammlungen und somit Künstler:innen konzeptuell zu verknüpfen und einen öffentlichen Blick zu generieren“, so Senn. Die größte Herausforderung für den Betrieb einer Galerie heutzutage sieht Senn darin, die Wertigkeit von Kunst für eine Gesellschaft sichtbar zu machen und die Gegenwart mit seiner Vielzahl von Künstler*innen in ihrem Werk zu bestärken und zu vermitteln.

 

Und wie steht es konkret in Wien um die Möglichkeiten für Künstler:innen? „Es fehlen private Sammler:innen, die ein breites Engagement zeigen. Auch die Museen spiegeln nicht das Potenzial der Stadt wider. Und: Zwei Kunstakademien, Hunderte von Künstler:innen – wo ist hier die Verantwortung von Museen und Politik?“, fragt sich Senn. Außerdem vermisst die Galeristin den internationalen Fokus auf Wien, der im Verhältnis zur Kunstproduktion im internationalen Vergleich verschwindend klein sei. Aber als Wehrmutstropfen fügt sie hinzu: „Auffällig ist, dass die Künstler:innen wahnsinnig gerne in Wien essen und die Kulinarik der Stadt als fast unfassbar gut wahrnehmen. Ich denke dabei an Fressorgien u.a. mit Michael Riedel und Cosima von Bonin.“

Galerie Crone Wien, Ausstellungsansicht Ashley Hans Scheirl, Neoliberal Surrealist, Wien 2019, Foto: Matthias Bildstein, Wien. Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien.

GALERIE CRONE WIEN

Gegründet 1982, zählt die Galerie Crone zu den traditionsreichsten Galerien für zeitgenössische Kunst im deutschsprachigen Raum. In den 1980er und frühen 1990er Jahren setzte Crone Impulse mit jungen deutschen Künstler:innen wie Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Rosemarie Trockel, Sigmar Polke, Hanne Darboven sowie mit vornehmlich US-amerikanischen Vertreter:innen der Minimal und Conceptual Art wie Lawrence Weiner, Sol Le Witt, Carl André, aber auch Bridget Riley, Paul Thek, Robert Mapplethorpe und Alex Katz. In den späten 1990er und 2000er Jahren zeigte Crone dann als eine der ersten Galerien künstlerische Positionen wie Kai Althoff, Cosima von Bonin, Daniel Richter, Jonathan Meese, Amelie von Wulffen, Marc Brandenburg oder Annette Kelm.

In den 2010er Jahren wurde in Wien ein zweiter Standort eröffnet, in Berlin wird neben dem Stammsitz in der Fasanenstraße seitdem auch ein Projektraum am Tempelhofer Damm bespielt. „Crones programmatischer Schwerpunkt ist zeitgenössische Kunst, die sich mit gesellschaftlichen Realitäten und politischen Herausforderungen auseinandersetzt“, erklärt Andreas Huber, Direktor der Wiener Dependance. „Die Galerie vertritt Künstler:innen unterschiedlicher Generationen, Herkunft, kultureller Hintergründe und sexueller Orientierung, die der Wunsch nach einer offenen, toleranten, aufgeklärten Gesellschaft und Kultur eint. Ihre Arbeit umfasst die gesamte Bandbreite künstlerischer Praktiken, Medien und Herangehensweisen, von Malerei und Skulptur bis hin zu Installation und zeitbasierter Kunst.“

 

Was ist für ihn der Anreiz, sich mit Kunst zu beschäftigen? „Durch Kunst kommt man mit den unterschiedlichsten Menschen in sehr emotionalen Kontakt. Mit dem einen Bein steht man im Loft eines Millionärs in Manhattan, mit dem anderen im abgerockten Atelier eines Künstlers am Rande der Stadt“, so Huber. In Wien sei das „soziale Kunst-Biotop“ sehr wichtig: „Man kennt sich, man sieht sich oft, um nicht zu sagen täglich, bei einer Vernissage. Gemessen an der Größe der Stadt ist überproportional viel los: Galerien, Museen, Offspaces.“ Was ihm hier manchmal fehlt, ist ein Verständnis für die Besonderheiten des Kunstmarktes, die wären: „Preise steigen, Internationalität ist wichtig, wir Galerist:innen kümmern uns mit den Verkäufen um das Einkommen und damit Überleben der Künstler:innen, Galeriebesuche sind gratis und wir machen in Summe in Wien damit tausende Quadratmeter Fläche Ausstellungen unentgeltlich zugänglich.“

 

Um abschließend das heurige VIENNA ART WEEK-Motto „Challenging Orders“ aufzugreifen – wer sind die Entscheidungs-, Geschmacks- und Blickmacher:innen in der Kunstwelt und auf welche Weise können Galerien Künstler:innen dabei unterstützen, vorgefertigte Strukturen aufzubrechen und auf eine Diversifizierung ihrer Normen und Werte hinzuarbeiten? „Learning by Doing!“, meint Huber. „Ein Zusammenspiel vieler Protagonist:innen ist notwendig: Künstler:innen, Galerist:innen, Kritiker:innen, Sammler:innen, Kurator:innen mit einer nachhaltigen Karriere. Abseits dieser reicht auch ein Instagram-Kanal.“

 

 

 

Text: Angelika Seebacher

Charim Galerie, Markus Krottendorfer, aus der Serie Geamana #2, 2015 C-Print, 163 x 128 cm, Foto: Markus Krottendorfer.
Gabriele Senn Galerie, Kathi Hofer, Pictures, Ausstellungsansichten, Wien 2022.
Ausstellungsansicht Ashley Hans Scheirl, Neoliberal Surrealist, Galerie Crone Wien, 2019, Foto: Matthias Bildstein, Wien. Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien.
Pictures, Kathi Hofer, 2022
Gabriele Senn Galerie, Kathi Hofer, Pictures, Ausstellungsansichten, Wien 2022.
Charim Galerie, Markus Krottendorfer, Abyss, Ausstellungsansicht, Foto: Markus Krottendorfer.
Pictures, Kathi Hofer, 2022
Gabriele Senn Galerie, Kathi Hofer, Pictures, Ausstellungsansichten, Wien 2022.
Galerie Crone Wien, Ausstellungsansicht Ashley Hans Scheirl, Neoliberal Surrealist, 2019. Foto: Matthias Bildstein, Wien. Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien.

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