EXHIBITIONS

Lavalampenfieber in der Secession – Lazar Lyutakov “1 Million Random Numbers”

Zwei Welten prallen in der aktuellen Ausstellung von Lazar Lyutakov in der Secession aufeinander - Sabine B. Vogel war dort und war fasziniert.

Lazar Lyutakov, 1 Million Random Numbers, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Peter Mochi

„Astro“ hieß die allererste Lavalampe, die 1963 passend zum Flower-Power-Jahrzehnt auf den Markt kam: In einem flaschenähnlichen Gefäß befinden sich zwei nicht lösliche Stoffe. Durch Erwärmung werden beide flüssig, ohne sich je zu vermischen. Dank Zugabe von Farbstoffen ergeben sich psychodelische Lava-Effekte: Formen bilden sich, verändern sich, steigen auf und wieder ab, und dies alles im Zeitlupentempo. Anfangs eine millionenfach verkaufte Kultlampe, verlor das Objekt bald an Bedeutung, erlebte in den 1990ern ein Revival und ist heute in unübersichtlich vielen Variationen inklusiv limitierten Sondereditionen zu kaufen. Jetzt hat Lazar Lyutakov mehr als einhundert Lavalampen in dem Hauptraum der Wiener Secession aufgestellt.

Lazar Lyutakov, 1 Million Random Numbers, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Peter Mochi

 

In manchen Lampen schweben Goldpartikel, in anderen blutrote Blasen, Glitter oder auch nur eine einzelne, zähflüssige Form. Der 1977 in Bulgarien geborene, in Wien lebende Künstler arrangiert die Objekte allerdings irritierend verfremdet: Mal hängen sie in einem Edelstahlrahmen wie ein Tafelbild an der Wand, stehen eng zusammen auf Tischen oder sind in Gestelle eingebaut, die uns sofort an Labore und Experimente erinnern. Ihre ursprünglich hypnotisierende Wirkung wird hier durch die vielen Metallgestellte in ein strenges, wissenschaftlich anmutendes Arrangement überführt, das in krassem Kontrast zu den weichen Blubberformen steht.

Lazar Lyutakov, 1 Million Random Numbers, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Peter Mochi

 

Dabei greift Lyutakov die modulare Struktur des Ausstellungsraumes mit dem Raster von Decke bis zum Fußboden auf, das aber dank der intensiven Farben und permanenten Bewegungen in den Lampen aufgebrochen ist. Auch im Titel spielt Lyutakov mit dem Konzept der Kontraste: Die Unberechenbarkeit des Blasen-Verhaltens ist der perfekte Zufallswert für Verschlüsselungen. Eine US-amerikanische Firma filmt die Formen, die aufgereiht auf Regalen in ihrem Büro stehen, lässt die registrierten Bewegungen in Zahlen übersetzen und als Teil mathematischer Operationen wird so ein kryptografischer Zufallscode generiert, der praktisch nicht zu knacken ist – und so den unerlaubten Zugriff auf Server verhindert.

Lazar Lyutakov, 1 Million Random Numbers, Ausstellungsansicht, Secession 2023, Foto: Peter Mochi

 

Aber auch ohne dieses Wissen versteht man hier in der Secession sofort, dass Lyutakov hier zwei Welten aufeinanderprallen lässt: die halluzinogene Weltvergessenheit aus der ersten Phase der Lampen trifft gänzlich unvereinbar auf einen technoiden Weltzugriff. Wie die Blasen in den Lampen treibt es uns zwischen der Schönheit dieser unlenkbaren, amorphen Formen und jener der haltgebenden Strenge der rasterartigen Ordnung hin und her. Wie die Blasen in den Lampen müssen wir auf keiner Seite haltmachen, sondern lassen uns sachte durch diese faszinierende Ausstellung treiben.

 

Lazar Lyutakov, 1 Million Random Numbers, Wiener Secession, 30.6.-3.9.2023

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