Ein Besuch im Dom Museum Wien bei der Ausstellung „Alles in Arbeit“
39 künstlerische Positionen im Dom Museum Wien beleuchten, was Arbeit war, ist und sein könnte. Zwischen Lohn, Muße und Protest. Ein Text von Sabine B. Vogel.

Lowell Nesbitt, IBM 6400, 1965. mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1981, Lowell Nesbitt © Bildrecht, Wien 2025, Foto: mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung
Kaum etwas begleitet die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft so intensiv wie die Geschichte der Arbeit. Ursprünglich auf das Engste mit dem Leben verbunden, ohne Hierarchien und Löhne, beginnen die Veränderungen durch Sesshaftigkeit. Arbeit wird planbarer, Ständeordnungen entstehen, Lohnarbeit kommt hinzu, später drängen Gewerkschaften auf Regulierungen. Und immer sichert Arbeit soziale Teilhabe – bis heute? Wie, und vor allem wer, definiert Arbeit? Unter diesen Fragen steht die aktuelle Themenausstellung des Dom Museums „Alles in Arbeit“.
Wie kritisch der Fokus darauf ist, zeigt Oliver Walkers „One Pound“ gleich vorweg im Treppenhaus an: Sechs Videosequenzen dauern jeweils so lange, wie eine Person arbeiten muss, um ein Pfund zu verdienen. Die Baumwollpflücker:innen mühen sich 35 Minuten ab, der CEO nur eine Sekunde. Museumsdirektorin Johanna Schwanberg versammelt gemeinsam mit Gastkuratorin Vanessa Joan Müller insgesamt 39 Künstler:innen unter zentralen Schlagworten wie „Wertschätzung und Entlohnung“ oder „Muße, Nichtstun, Protest“. Das größte Kapitel sind die „Arbeitswelten im Bild“ – und zugleich das Spannendste.

See Red Women's Workshop, A woman's work is never done, 1974. Courtesy See Red Women’s Workshop, © See Red Women's Workshop, Foto: © See Red Women's Workshop
Denn hier lässt sich ansatzweise die Entwicklung ablesen, beginnend mit der Thronberger Madonna (um 1320) als Idealbild einer hingebungsvollen Mutterschaft. Leise Schritte Richtung Arbeitsteilung deutet „Maria mit Jesuskind“ aus der Mitte des 16. Jahrhunderts an: Noch immer ist es die Mutter, die sich um das Kind kümmert. Aber im Hintergrund hängt Joseph die Windeln auf. Hauptfokus liegt auf der Arbeit in der Industrialisierung, wenn Käthe Kollwitz 1906 mit dem „Brustbild einer Arbeiterfrau mit blauem Tuch“ die Tristesse des Lebens erahnen lässt, oder die intensive Lithografie „Hochofenarbeiter“ von Lili Réthi von 1924, die mit wenigen Strichen den ungeschönten Arbeitsalltag zeigt.
Kolonialismuskritik wird mit Joiri Minayas Beiträgen zum Klischee des „tropischen Paradieses“ in Haiti abgedeckt und mit den Fotografien von Fabeha Monir ist der Schritt in die Jetztzeit gesetzt. 1987 in Bangladesh geboren, dokumentiert sie die Arbeitsbedingungen von Frauen im Textilsektor ihrer Heimat.

Kiluanji Kia Henda, The Merchant of Venice, 2010. Courtesy the Artist and Galleria Fonti, Naples, Courtesy the Artist and Galleria Fonti, Naples, Foto: Courtesy the Artist and Galleria Fonti, Naples
Gründlich recherchiert fügt Iris Andraschek mit ihrer Installation hinten in einem schmalen Extraraum ein weiteres Kapitel zur Frage, wer Arbeit definiert, hinzu: Auf einer flächendeckenden Wandmalerei mit Rußpigmenten, die die Zerstörung des Wiener Stephandoms 1945 in Erinnerung ruft, hängen damalige Lohnbücher und Tagesberichte als Zeugnisse des Wiederaufbaus. Akkurat sind Gehälter und Arbeitszeiten, aber auch Zwangsverpflichtungen ehemaliger Mitglieder der NSDAP aufgelistet.
Und wie schaut Arbeit heute aus? Dafür findet Nana Mandl mit ihrer Textilcollage ein passendes Bild: Work-Life-Balance lesen wir inmitten der freischwebend verteilten, fröhlichen Plüschtier-Bildmotive – kontrastreicher könnte der Entwicklungsschritt seit der Industrialisierung kaum gezeigt werden. Wie Arbeit im Zeitalter der KI aussieht, bleibt in „Alles in Arbeit“ allerdings ausgespart. Dafür haben Künstler:innen offenbar keine Bilder gefunden – noch nicht?

Nana Mandl, how to maintain (a work life) balance, 2024/25. STRABAG ART Collection, Wien / STRABAG ART Collection, Vienna, Nana Mandl © Bildrecht, Wien 2025, Foto: Nana Mandl
Dom Museum, „Alles in Arbeit“: 3.10.2025 – 30.8.2026
Es wird im Rahmen der VIENNA ART WEEK auch zwei Rundgänge durch die Ausstellung geben: