EXHIBITIONS

Inspiriert, aber nicht kopiert: Der Einfluss von Van Gogh bis Matisse auf Gustav Klimt

Im Unteren Belvedere ist nach Jahren der "Schatzsuche" eine beeindruckende Schau zu sehen, die dem Einfluss von zeitgenössischen Künstler:innen auf Gustav Klimt nachgeht. Ein Text von Sabine B. Vogel.

Gustav Klimt, Wasserschlangen II, 1904/1906–07. Privatsammlung, courtesy of HomeArt

Noch im Herbst schien es, dass Gustav Klimts „Wasserschlangen II“ nicht zur großen Schau „Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse …“ ins Belvedere reisen könnten. Jetzt gehört es zu den Höhepunkten dieser außergewöhnlichen Schau. Aber der Reihe nach: 2015 unter der damaligen Direktorin Agnes Husslein begonnen, basiert die Ausstellung auf einem Forschungsprojekt des Amsterdamer Van Gogh Museum zusammen mit dem Belvedere. Zentrale Frage dabei ist weniger, ob Klimt von zeitgenössischen Künstler:innen beeinflusst wurde – davon kann ausgegangen werden. Sondern welche Werke er tatsächlich sah. Das konnte sieben Jahre lang akribisch anhand von Klimts Reisen, von Publikationen, Ausstellungen in Wien vor allem in der Secession und der einflussreichen Galerie Miehtke recherchiert werden. Erste Station der Ausstellung war das Van Gogh Museum letztes Jahr.

Eine „Schatzsuche“ nannte der Amsterdamer Kurator Edwin Becker die Recherchen, denn einige Werke gingen verloren, anderes verschwand in Privatsammlungen. Während eines Gesprächs im Rahmen eines Fundraising Dinners fand er zufällig die „Wasserschlangen II“. Allerdings sei die enorme Versicherungssumme für die österreichische Station staatlich nicht gedeckt, hatte Belvedere-Kurator Markus Fellinger in Amsterdam erzählt. Dank der Kostenübernahme durch den Leihgeber HomeArt aus Hong Kong konnte es die Reise nach Wien antreten.

Insgesamt 90 eindrucksvolle Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen zeigen jetzt im Unteren Belvedere Klimts künstlerische Entwicklung entlang der europäischen Avantgarden. Präsentierte das Van Gogh Museum 24 Werke des österreichischen Meisters, so sind es im Belvedere stolze 45 Exponate. Anders als in Amsterdam beginnt die Schau in Wien nicht mit Klimts klassischer Phase, sondern steigt gleich mit einer starken Inspiration unter dem Stichwort „Aufbruch in die Moderne“ ein: die fließenden Formen der Symbolisten wie Fernand Khnopff und Franz von Stuck, die Klimt nachhaltig beeinflussten. Sehr eindrucksvoll ist auch die Nähe zu Bildmotiven von Jan Toorop und Margaret Macdonald Mackintosh, die in Wien unter dem Aspekt „Poesie der Linie“ zusammengefasst sind: Klimt ließ sich hier stark von der Darstellung der Haare, den fließenden Gewänder und den schwebenden Bildkompositionen inspirieren.

Margaret Macdonald Mackintosh, Bestickte Tafeln, um 1902-04. The Glasgow School of Art

 

Großartig auch die Gegenüberstellung von Klimts Frauenbildnis von 1893 mit John Singer Sargents Entwurf für „Madame Gautreau“: Klimt übernimmt die Pose und das dominante schwarze Kleid, verzichtet aber auf den verruchten Unterton durch den verrutschten Träger des Arrangements. Auch im Kapitel der Landschaften sind es vor allem die Unterschiede, die faszinieren: In der Gegenüberstellung von Claude Monets 1897 entstandenen Gemälde eines Fluß´ im nebeligen Morgenlicht wirkt Klimts „Morgen am Teich“ von 1899 weitaus abbildungsnaher – eine Beobachtung, die auch für George Seurats pointilistisch gemalte Bilder verglichen mit Klimts „Blühender Mohn“ gilt.

Überzeugend ist auch der Dialog zwischen Klimt und Auguste Rodin. Wie 2010 im Belvedere mit „Rodin und Wien“ schon umfangreich dokumentiert wurde, war der französische Bildhauer spätestens seit seiner Schau in der Secession 1901 in Wien bestens bekannt. Sein künstlerisches Motto, den Körper als Austragungsfeld von inneren Befindlichkeiten zu formen, findet sich deutlich in Klimts Aktzeichnungen wieder. Im letzten Kapitel „Befreiung der Farbe“ trifft Klimt auf Matisse, dessen üppige Muster und hellen Farbtöne ihn offensichtlich anregten. Klimts Stil, das wird hier mit tiefem Respekt gezeigt, ist eine Kombination vieler Inspirationen. Diese Feststellung gilt zwar für nahezu jeden Künstler. Aber nur wenige extrahieren so gezielt einzelne Elemente aus anderen Werken, um daraus eine derartig einzigartige künstlerische Sprache zu entwickeln.

Gustav Klimt, Ein Morgen am Teiche, 1899. Leopold Museum, Wien
Claude Monet, Arm der Seine bei Giverny im Nebel, 1897. The Art Institute of Chicago, Mr. and Mrs. Martin A. Ryerson Collection
John Singer Sargent, Study for Madame Gautreau, c. 1884. Tate, London, Presented by Lord Duveen through the Art Fund 1925
Gustav Klimt, Frauenbildnis, 1894 Dauerleihgabe aus Privatbesitz. Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

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