EXHIBITIONS

Der Linoldruck und das psychogene Schaffen – Lill Tschudi & Franz Čižek

Einer der wichtigsten Vertreter:innen der Modernist British Printmaking-Bewegung wird endlich eine Schau in der Universitätsgalerie der Angewandten gewidmet. Ein Text von Sabine B. Vogel.

Lill Tschudi, Telephonmonteure, 1932. Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin

 

Schon in den frühen 1930er Jahren war Lill Tschudi (1911-2004) mit ihren farbenkräftigen Linoldrucken im englischsprachigen Raum bekannt. In ihrem Heimatland Schweiz dagegen blieb sie auch nach ihrer Rückkehr 1935 bis zu ihrem Tod wenig beachtet. Dabei gehört sie zu den wichtigsten Künstler:innen der Modernist British Printmaking-Bewegung, allein das Metropolitan Museum in New York besitzt 118 Blätter von Tschudi. Letztes Jahr wurden ihre Werke in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich gewürdigt, jetzt sind sie in Kooperation der Universität für Angewandte Kunst mit der ETH Zürich erstmals umfassend in Wien zu sehen.

Lill Tschudi, Tour de Suisse, September 1935 (Druckform)/ um 1965 (Herstellung des Abzugs). Linolschnitt auf Japanpapier. Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin

Dafür werden die Züricher Bestände der Schweizer Künstlerin mit Arbeiten aus der Kunstsammlung der Angewandten kombiniert. Im Zentrum steht dabei Franz Čižek (1865-1946). Tschudi und Čižek sind sich allerdings weder begegnet noch hatten sie Kontakt. Die Verbindung ergibt sich über die Entwicklung des Farbdrucks und Reformtendenzen in der Pädagogik: Tschudi studierte 1929 an der Londoner Grosvenor School bei Claude Fight, der von Čižeks pädagogischem Ansatz unter dem Motto ‚Kunst der Kinder‘ beeinflusst war. Čižek hatte an der Wiener Kunstgewerbeschule unterrichtet, Arbeiten seiner Schüler:innen waren in internationalen Wanderausstellungen zu sehen – und das ist nur die extreme Kurzfassung, die in der Ausstellung mit Informationsblättern ausführlich vermittelt wird.

Ein Kind vor seinen Arbeiten, Jugendkunstklasse von Franz Čižek, 1934. Fotograf: Robert Johann Bohl, Foto: Wien Museum.

Wie aber lässt sich ein solch umfangreiches Paket von Hintergrundinformationen, Verweisen und künstlerischen Werken von Meistern bis zu Schülern in eine Ausstellung packen, die noch dazu in den historischen Räumen des Heiligenkreuzerhofs stattfindet? Räumlich wurden viele kleine Kojen eingebaut, in denen die Werke von Tschudi auf Arbeiten aus der „Jugendklasse“ und der „Schule Franz Čižek“ treffen. Inhaltlich helfen die Info-Schilder bei den Zuordnungen, die Schrift allerdings ist so klein geraten, dass man sich am Eingang eine Lupe ausleihen sollte – und es lohnt sich!

Schule Franz Čižek, Ausstellung in Paris "L'Exposition des arts decoratifs et industriels modernes", 1925. © Universität für Angewandte Kunst Wien, Foto: Bruno Reiffenstein

 

Zentral ist hier Čižeks Idee einer Aktivierung des „psychogenen Schaffens“ von Kindern im Unterricht, das die angeborenen schöpferischen Fähigkeiten freilegt – was die Schülerwerke beweisen. Darin spiegelt sich eine beeindruckende Aufbruchsstimmung und eine enorm selbstbewusste Eigenständigkeit – was für Schätze in der Sammlung der Angewandten ruhen! Höhepunkt der Schau sind Tschudis von Jazz, Großstadtleben, Kubismus, Futurismus und besonders auch Konstruktivismus beeinflusste Drucke, die Bildmotive ausdrucksstark reduziert, die Technik experimentell, die kunsthistorischen Verweise spannend verarbeitet. Diese Ausstellung ist für jede:n Kunstlehrer:in ein Muss!

 

Lill Tschudi – Franz Čižek. A delightful sort of game, Heiligenkreuzerhof, 11.10.-16.12.2023

Lill Tschudi, Kirchweih I, 1934. Sammlung Glarner Kunstverein, Foto: Michel Gilgen.
Lill Tschudi, Leporello mit eingeklebten Ausschnitten aus Zeitungen und Magazinen im handbemalten Einband, um 1935-1955. Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin
Lill Tschudi, Leporello mit eingeklebten Ausschnitten aus Zeitungen und Magazinen im handbemalten Einband, um 1935-1955. Graphische Sammlung ETH Zürich © Nachlass der Künstlerin
Norbertine Bresslern-Roth, Kampf (Tintenfisch und Languste), April 1923. Farblinolschnitt auf Japanpapier. Graphische Sammlung ETH Zürich © Neue Galerie Graz Universalmuseum Joanneum

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