VIENNA ART WEEK 2020

Klaus Albrecht Schröder: Rituale stiften Gemeinschaft

Extra info

Klaus Albrecht Schröder ist Direktor der Albertina.

Foto: Julia Stix

Es gibt vermutlich keine Kultur, die ohne Rituale auskommt. Rituale stiften Gemeinschaft, sie unterstützen uns – innerhalb der Familie, einer Religionsgemeinschaft oder sonstigen Gruppierung – dabei, die Zusammengehörigkeit zu zelebrieren und zu stärken. Ein Ritual gibt uns Sicherheit. Es lässt uns spüren, dass wir nicht allein sind, dass es ein Band gibt zwischen uns und den anderen. Die universelle Botschaft eines jeden Rituals ist: Das sind wir. Das ist gut und richtig, und so wird es bleiben. Generationenübergreifend gibt es somit Antwort auf die vielleicht älteste aller Menschheitsfragen: Wer bin ich?

Die Corona Krise hat neben vielen anderen Veränderungen, die sie herbeigeführt hat, auch Einfluss auf unsere gesellschaftlichen Rituale genommen. Angefangen bei kleinen, alltäglichen Dingen, wie dem Verzicht auf das Händeschütteln, das in unserer Kultur seit eh und je Symbol der Begrüßung, aber auch der Verbindlichkeit war, bis hin zum temporären Wegfall oder der massiven Einschränkung von Festlichkeiten wie Taufen, Hochzeiten und Trauerfeiern.

Was macht es mit einer Gemeinschaft, wenn sie ihrer Rituale beraubt wird? Wenn – ausgerechnet in einer Zeit, in der das Gemeinschaftsgefühl vielleicht wichtiger ist, denn je – das Verbindungstiftende wegfällt? Wenn in Zeiten großer Unsicherheit genau das fehlt, auf das man sich immer verlassen konnte? Wir werden in den kommenden Jahren erleben, wie sich unsere Rituale langfristig, auch über die unmittelbare Coronazeit hinaus, verändern werden. Zu welchen Ritualen kehren wir zurück und auf welche Traditionen verzichten wir möglicherweise auch noch dann, wenn die Pandemie überwunden ist? Welchen Einfluss hat das wiederum auf unser Gemeinschaftsgefühl, ja letztlich unsere Identitätsfindung?

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