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Betonporsche trifft auf Fat Car: Gottfried Bechtold im Gespräch mit Erwin Wurm in der Galerie Krinzinger

Die beiden Künstler tauschten sich in der bekannten Wiener Galerie in einem ebenso entspannten wie pointierten Gespräch über Autos, Absurdität und das künstlerische Paradox aus. Ein Bericht von Sabine B. Vogel

Ursula Krinzinger und Erwin Wurm. Courtesy Galerie Krinzinger, Photos: Carmen Alber

Junge Männer mit nacktem Oberkörper beugen sich über einen Porsche, der arg drangsaliert ausschaut. Denn der flotte Sportwagen wird für den Gipsabdruck vorbereitet. Wenig später wird Gottfried Bechtold daraus seinen ikonischen Betonporsche schaffen – ein Motiv, das sein Werk bis heute durchzieht.

 

Jetzt hängen die groß abgezogenen Fotografien von 1971 in Bechtolds vierter Soloschau in der Galerie Krinzinger, rundherum kleine Porsche in Gips, Glas bis Beton in allen Farben, manche mit Resten der Gussformen verschmolzen.

Gottfried Bechtold, Die vier Schalungstechniker, 1971 - 2021. C-print on canvas. Courtesy Galerie Krinzinger.

Dazwischen stehen heute Abend zwei Sessel mit einem kleinen Tisch. Hier findet ein „historisches Event“ statt, wie es Ursula Krinzinger bei ihrer Einführung nennt: Gottfried Bechtold spricht mit Erwin Wurm. Bechtold in beiger Kordhose, mausgrauem Jacket, dunklem Pulli über weißem Hemd; Wurm in schwarzer Jeanshose mit blauer Jeansjacke und dunklem Pulli. So leger wie ihre Kleidung verläuft auch der Abend. Sie wollten keine Moderation und so lassen sie sich entspannt durch das Gespräch treiben.

 

Wurm versucht es mit einer Eingangsfrage: „Was ist dein Zugang zum Auto?“ Bechtold holt weit aus: „Wir zwei sind antipodische Künstler mit sehr gegensätzlichen Zugängen beim Thema Auto.“ Damit eröffnet der 1947 in Bregenz geborene Bechtold ein unterhaltsames Pingpong von aufeinanderfolgenden Monologen. Er habe 1970 in einer „sehr restaurativen Szene mit Wotruba, Prantl“ gearbeitet und sei 1971 mit seinem Beton-Porsche „da hineingeplatzt. Die haben das nicht als Skulptur akzeptiert.“ Wurm unterbricht: Der Bregenzer verstehe Wien nicht, hier hilft keiner keinem, alle lehnen alle ab.

Gottfried Bechtold (li.) und Erwin Wurm (re.). Courtesy Galerie Krinzinger, Photos: Carmen Alber

Aber Bechtold will bei der Kunst bleiben: „Ich wollte ein paradoxes Stück herstellen“, erklärt er. Ein Auto sei „eine Gehhilfe“ und er habe es ins Gegenteil verwandelt. Am Ende gibt er das Wort an Wurm mit der provokanten Frage, ob es bei Wurm auch eine Paradoxie gäbe? Das sei ein „Hauptprädikat“ seiner Arbeit, kontert Wurm trocken, „das Paradoxe und das Absurde“.

 

Jetzt kann Wurm ausholen, spricht von seinen Anfängen, als er eigentlich Malerei studieren wollte, aber in die Bildhauerklasse gesetzt wurde. Zum Glück, denn so konnte er Jahrzehnte später seinen „Fat Car“ schaffen – erstmals 2001, seither variierte und erweiterte er das Prinzip bis hin zu deformierten Architekturen. In dem bis zur Unkenntlichkeit aufgeblähten Auto treffen Themen wie Konsumverhalten, Angeberei, Körperideale zusammen, aber auch klassische bildhauerische Aspekte wie die Veränderung von Masse. „Wenn man Volumen verändert, verändert man den Inhalt.“ Anders als Bechtolds eingefrorene Autos zerstört Wurm die Form der Vehikel. „Das Auto wirkt so fast biologisch, es bekommt ein Gesicht und einen Körper.“

Erwin Wurm, Fat Convertible, 2005. (c) Erwin Wurm / Bildrecht, Wien 2024. Foto: Vincent Everarts

Übergangslos kommt Bechtold wieder auf sein Werk zurück. Zehn Jahre habe es bis zur Akzeptanz des Betonporsche gebraucht – überhaupt sei er so oft mit seinen Werken viel zu früh gewesen. Zur documenta 5 1972 habe er 100 Tage Anwesenheit gezeigt. Alle fünfzehn Minuten wurde über Lautsprecher sein Aufenthaltsort irgendwo in Kassel mitgeteilt: Präsenz als Kunstwerk. Einige gegenseitige Wertschätzungszusicherungen, Rückblicke und Werkerinnerungen später stellt Bechtold plötzlich die Frage in den Raum: „Wo geht’s jetzt hin mit uns beiden?“ Wurm: „Nur bergab!“ Bechtold wollte nicht über das Altern sprechen: „Aber in der Kunst?“ Wurm: „Ich mache meine Sachen weiter!“ Darin sind sich dann beide einig.

 

Die Ausstellung „GOTTFRIED BECHTOLD: 3 bis 2 D“ ist noch bis 16. Mai 2025 in der Galerie Krinzinger zu sehen.

Gottfried Bechtold. Courtesy Galerie Krinzinger, Photos: Carmen Alber